Natalie Bosien
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Natalie Bosien - Portrait


K U R Z G E S C H I C H T E

Gesunkene Stunden
gesunkene stunden

'Haben den Atem leergetrunken und sich niedergelegt auf die Bastmatten. Alles steht still im Dunkeln und hört dem ewigen Pochen zu. Nimmersatter Rythmus unsrer Reise will nicht schlafen gehn. Ein Stern winkt mir zu. Ich lächle freundlich…' Meine Gedanken werden unterbrochen von einem Klingeln an der Tür. Kurzer Augenblick der Verwirrung. Ich erwarte niemanden. Mit schlurfenden Schritten gehe ich aus meinem Zimmer, den langen Flur entlang und die große Marmortreppe hinunter. Der Boden ist kalt. Es ist Spätherbst.

"Haben Sie Ihren Kopfunterknopf heute nicht an? Warum nicht gefunden - dann sollten Sie suchen, aber das wissen Sie ja."

"Oh recht ist's, ja, recht" nuschle ich in meinen Bart, sichtlich beschämt über solches Malheur und winke sie hinein. Sie huscht an mir vorbei und brennender Geruch stösst mir Tränen in die Augen und für einen Augenblick meine ich, mich übergeben zu müssen. "Dort können wir jetzt nicht, ich meine, ja, vielleicht sollten wir lieber hierhin, nach links, das ist dann doch für alle besser - nicht wahr?"

Ich bin kein Mann von grossen Worten, vor allem nicht, wenn sie so unerwartet hereinstolpert. Wissen hätte ich es müssen - schon lange, denn es war, wie mir später auffiel auch längst an der Zeit. Sie legt ihren Mantel ab und drückt ihn in meine Hände. Was soll ich nun tun? Ich hole Kaffee und Plätzchen, das scheint mir angebracht in dieser Situation der Spannung. Erst mal aufwärmen, dann würde alles andere schon irgendwie seinen Lauf nehmen. Es nimmt seinen Lauf.

"Unverbesserlich stursinnig - sagte man mir - scheint ja guter Wille hier, trotzalledem - die Hoffnung nicht aufgeben, darf man nicht in meinem Job. Hier scheint der Wille noch verbesserlich." kreischt sie schrill und schlürft an der Tasse. Der Kaffee ist kalt. Ich habe keinen heissen. Hoffe sie würde es einfach nicht bemerken. Sie bemerkt es nicht. Der Stuhl auf dem ich sitze wackelt und ich falle vor ihr auf den Boden. Der Kaffee spült auf einem Fleck mit brauner Sosse den Staub fort. "Verzeihung," rutscht es mir über die Lippen, während ich versuche wieder aufzustehen. Wieder brennt es essigartig schäumend in meinen Augen und ich halte die Luft an. Mein Herz pocht und mein Magen krümmt sich vor Eckel. "So geht es allen immer vielen noch viel schlimmer, machen Sie sich daraus nichts, es ist schon fast normal, schon fast." Ihre Stimme ist freundlicher geworden, sie kreischt nicht mehr so schrill. Ruhig spricht sie weiter und ich falle in einen tiefen Schlaf, während sie den grossen dicken Block mit Fragen auf mich niedergiesst. Ich antworte. Schlaftrunken offenbare ich mein tiefstes Selbst. Ich habe keine Wahl, bin völlig machtlos und ergeben, gestehe und eröffne ihr, alles was sie wissen will, lege mich in ihre Hände in all meiner Verwundbarkeit.

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